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Kirchenschlüssel

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Tür zu – Schlüssel drin


nicht wie man jetzt denken könnte, bei der eigenen Haustür, sondern bei der Inzkofener Kirchentür.

Die kleine Kirche in Inzkofen liegt am nächsten dem Wimmerhof an. Auf diese Nähe war und ist man stolz, sie bringt aber auch einige Verpflichtungen mit sich. So wurde früher an jedem sonnigen Tag am Vormittag die Kirchentür aufgesperrt und abends wieder zu. Und wer war dafür zuständig?
Immer das jüngste Wimmerkind, also auch irgendwann ich.

Eine dumme Angewohnheit war es, den Schlüssel nach dem Aufsperren irgendwo in der Kirche zu deponieren. Viel besser wäre es gewesen, man hätte den Schlüssel nicht aus den Händen gegeben und ihn sofort wieder zurück in das Haus getragen. Wobei die Kirche schon ein sehr sicherer Platz war, vor allem, wenn ein anderes Familienmitglied spät abends die Tür von außen zuschlug! Drin war er, der Schlüssel – und guter Rat teuer.

Es gibt zwei Fenster, links und rechts neben dem Altarraum, ziemlich klein und mit zwei Eisenstangen von außen gesichert. Eins davon war im Sommer immer auf. Und nun traf es wieder das kleinste und dürrste Wimmerkind. Von den Schultern des Vaters stieg ich auf den Fenstersims. Festhalten konnte ich mich an den Gitterstäben und dann fädelte ich meinen Körper durch die Stangen und durch das dreiteilige Fenster. Innen konnte ich mich kaum mit den Füßen halten, da der Fenstersims stark abgeschrägt war. Hier half nur ein schneller und gezielter Sprung auf den Altar. Dort sicher gelandet war es geschafft. Jetzt war ich eine Heldin. Nur ich allein konnte die Tür von innen entriegeln. Ich genoss diese Minuten, bis von außen die Sonnenstrahlen durch das von mir geöffnete Tor in mein Gesicht fielen.

Wenn ich heute in diesem Kirchlein stehe, frage ich mich, ob ein Vorfahre von mir ein Gecko oder ein Schlangenmensch war. Es ist mir unerklärlich, wie ich da jemals durchpassen konnte.

Diese Schlüssel-Rettungsaktion wurde im Laufe meiner Kindheit mehrmals wiederholt, bis ich dieses Amt auf meinen jüngeren Bruder Andreas übertragen konnte!


Aufgeschrieben am 23. Okt 2012 von Irmgard Kratzer, geb. Wiesheu (*1968), Moosburg

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